Mehr Mut im Marketing.

Ich habe gerade den ersten Leitartikel „Sogar als Frau“ der „brandeins – Frauen/Männer/Arbeit“-Ausgabe gelesen und habe eine besonders spannende Sache die mich beschäftigt: Es ging um eine Messe, die „Man’s World“ genannt wurde – es geht um Dinge die (laut Veranstalter) Männern Spaß machen: Flugsimulator bis Maßschneiderei – auf der Webseite sehe ich Whisky und Oliven. Eigentlich von Grund auf etwas was ich ätzend finde: 1. ich mag auch Oliven und mit Whisky kann ich auch was anfangen und nen Flugsimulator – warum nicht? und 2. wieso muss es dann eben Man’s World heißen?

Aber der Mann der das Ganze entwickelt hat ist klug: Er arbeitet mit gemischtem Team und stellt Regeln auf, die der Name nicht erwarten lässt: Sex ist tabu und Autos werden nicht von Frauen in knappen Outfits präsentiert. Das Ergebnis? 40% der Besucher*innen sind Frauen.

Überrascht es mich? Irgendwie schon! Und das wiederum überrascht mich auch sehr, denn ich habe ja selbst gesagt dass ich diese Sachen spannend finden kann. Anscheinend schreckt der Name Frauen nicht ab – wobei ich abgeschreckt wäre, wenn ich nicht nochmal explizit als Frau angesprochen werde. Auch auf der Webseite sehe ich nur in „Nebenbildern“ Frauen, die auch auf der Messe sind.

Warum also diesen Namen wählen – im Artikel heißt es, dass es durchaus Absicht war, dass der Titel provoziert: Der Veranstalter empfindet die Diskussion darum als „verkrampft“ und wünscht sich in diesen Klischees mehr Mut. Mehr Mut was anderes zu tun? Mehr Mut die Klischees zu verdeutlichen? Ich finde diese Klischees auch schrecklich, und doch wusste ich ja sofort was er meinte: Die Bilder auf der Webseite der Messe haben mir genau das gezeigt was ich erwartet habe: gedämpftes Licht, Holz – klassische Oldtimer.

Ich habe mir mal eine BEEF gekauft, aus dem gleichen Grund warum ich die Messe spannend finde: Die Idee das Thema „Kochen“ mal anders anzugehen, hat mich gereizt und gestalterisch war die Zeitung sehr gelungen. Voll meins. Bis ich mehr darin las und tatsächlich durch entgleiste, sexistische Kommentare entsetzt war: Ein männlicher Leser beschwerte sich darüber, dass anscheinend in der vorherigen Ausgabe darüber geschrieben wurde, dass Männer die besseren Köche seien. Er schrieb, dass er Verständnis habe für den „männlichen Ansatz“ des Magazins, aber der Meinung ist Frauen können genauso gut kochen wie Männer – das habe nicht mit dem Geschlecht zu tun. Die Reaktion reagierte vollkommen daneben (leider habe ich das Magazin scheinbar aus Wut entsorgt), sie schrieb etwas ähnliches wie „doch, Männer sind die besseren Köche“ vielleicht fügten sie noch was hinzu, dass die Starköche fast alle männlich sind? Ich weiß es nicht mehr. Ich war vollkommen sprachlos und bin es bis heute. Das Konzept der Zeitschrift sprach mich total an – aber das hat mich diese Zeitschrift nie wieder kaufen lassen, ich kann nicht mal mehr über die Werbung des Magazins schmunzeln. Ich bin einfach nur scheiß wütend.

Und genau da ist der Unterschied, oder? Frauen gehen auch auf diese Messe, vielleicht mit Kollegen oder dem Partner und fühlen sich wohl, es ist keine frauenfeindliche Atmosphäre und schon entwickelt sich das Ganze von allein: Das nächste Mal geht sie vielleicht alleine oder mit der besten Freundin. Im Gegensatz zu BEEF hat diese Messe scheinbar den richtigen Weg gefunden. Trotzdem ist es traurig, dass sich die Messe nicht „Women’s Word“ nennen kann und das Gleiche passieren würde. Das ist auch mit ein großer Grund (meiner Meinung nach), warum viele Frauen ein Problem damit haben sich für Frauenrechte oder Ungerechtigkeiten einzusetzen: Sie können sich nicht mit dem Klischee identifizieren, welche die Gesellschaft für sie vorbereitet hat. Nicht alle Frauen können mit Pferden und Glitzer was anfangen. Und auch Männer sollten sich für solche Dinge begeistern dürfen. Und dann wollen diese Frauen mit dem Klischee nichts zu tun haben. Ich bin so eine Frau. Oder war. Um jeden Preis habe ich viele Klischees vermieden und bin dadurch in noch mehr reingetappt. Weil durch die absichtliche Vermeidung von Klischees, der gleiche Fehler gemacht wird, wie wenn man einem Klischee blind folgt: Die Entscheidung hat man nicht „frei“ getroffen, sondern das Klischee für einen. Dadurch finde ich also nicht das beste für mich, sondern eben nur das was die Welt für mich hat oder mir eben vorenthält.

Finde ich nun gut, wie das Klischee gedreht wird, oder unterstützt es damit nicht die Klischees und verändert nichts, macht den Graben zwischen uns noch größer? Als Kommunikationsdesignerin muss auch ich immer wieder mit Klischees arbeiten und kann somit sehr gut nachvollziehen, warum und wie sowas entsteht.

In der Feminismus-Debatte offen bleiben

Gerade habe ich diesen wundervollen Artikel über piqed von Antje Schrupp gefunden. Er spricht mir aus der Seele. Es geht um die großen Themen wie „Falscher Feminismus“ und „Richtiger Feminismus“ – Etwas was mir an so vielen Stellen schon den Kopf zerbrochen hat – manchmal auch das Herz. Denn diese – da ist es wieder – schwarz-weiße Denkweise führt uns niemals weiter. Wenn wir uns immer direkt verurteilen und niemanden eine andere Meinung auch nur formulieren lassen, kommen wir niemals weiter. Wir zwingen anderen unsere Meinung auf und lachen über anders denkende. Wie arrogant und ignorant.

Ich will mich natürlich nicht selbst ausschließen – auch mir fällt es manchmal schwer ruhig zu bleiben, wenn jemand einen (für mich) vollkommen falschen Schluss zieht. Aber eigentlich muss man dann mit Ruhe sagen – Zitat Antje Schrupp –:

„Da bin ich vollkommen anderer Meinung als du.“

Ein Zauber – man ist ehrlich und gleichzeitig offen. Vielleicht hat die gegenübersitzende Person sogar einen sehr spannenden Gedankengang dazu. Ich rede oft auch mit Freund*innen darüber, ob man Menschen mit anderen Mindset überhaupt entgegen treten soll – ob man die Kraft aufwenden soll etwas zu sagen. Für mich – ein klares Ja. Ja, es kostet Kraft. Aber wenn wir es nicht tun – wie kann ich denn jemals Änderung verlangen? Wenn niemand ehrlich ist? Wenn sich niemand die Mühe macht, Ihnen zu erklären wie der Gegengedanke ist?

Klar, wenn man merkt, dass man die Diskussion mit jemanden führt, der/die einen nur provozieren möchte – ok, dann kann man es auch abbrechen. Aber wenn wir diese vermeintlich „falschen“ Denkweisen  immer direkt angreifen und ihnen keine Möglichkeit, keinen Raum geben sich neu zu positionieren – wie sollen sie das den tun können ohne ihr Gesicht zu verlieren?

Ich für meinen Teil, will mir diesen schönen Satz merken – und mehr verwenden.

http://www.zeit.de/kultur/2017-11/feminismus-sexismus-antifeminismus-debatte-10nach8

Erkenntnis #1 – Erkenntnis heißt nicht Verinnerlichen

Wenn Menschen einen falsch interpretieren, ist das allein deren Verlust. Man selbst kann daran kaum etwas ändern. Aber es ist nicht leicht, das so auch zu leben und zu verdauen.

Wie oft haben mich Mitmenschen darauf hingewiesen, dass sie mich falsch interpretiert haben, dachten ich sei arrogant oder eingebildet. Und dann viel später stellen sie fest: ich bin es nicht. Aber es schien mir nie so, als ob diese Menschen es auf Ihre Kappe nehmen – dass sie es als Ihren Fehler sehen. Vielmehr wurde mir erklärt, wie es dazu kam: Wie ich mich verhalten habe, mein Gesichtsausdruck etc. Das sie das Ganze falsch interpretiert haben und ich nichts an meinem Gesichtsausdruck ändern kann, ist ihnen – scheinbar – nie in den Sinn gekommen.

Ich wünsche ich hätte diese Erkenntnis schon viel früher in mir gehabt. Sie früher verinnerlicht. Jetzt sehe ich es klar: es ist Teil einer systemischen Unterdrückung, etwas was wir lernen durch unsere Gesellschaft. Mir hat noch nie ein Mann von solchen Erlebnissen erzählt (aber ich bin offen für Stories und schließe das nicht grundsätzlich aus), es ist aber etwas was ich schon häufig von Frauen gehört habe.

Wie groß meine Gefühle, als ich das Buch von Sharyl Sandberg „Lean in“ gelesen habe: Ein Gefühl zwischen Ohnmacht und Erleichterung – mehr im Sinne der Erkenntnis. Endlich stand das was ich regelmäßig erlebt habe „Schwarz auf Weiß“ vor mir: Frauen werden in vielen Dingen negativer bewertet, in Dingen wie Sympathie und Erfolg. Sprich: Mein Gesichtsausdruck wird als arrogant und eingebildet gewertet, sprich: ich habe es schwerer mit diesen Menschen in Kontakt zu kommen, ihr Vertrauen zu erhalten. Während ein Mann mit dem gleichen Gesichtsausdruck (der Gesichtsausdruck ist: Nicht-Lächelnd) nicht so interpretiert wird. Sondern vielleicht nur konzentriert wirkt.

Tatsächlich hat mich diese Erkenntnis erst mal noch mehr gelähmt. Ich hatte Angst davor, war immer vorsichtig, dass ich nicht unfreundlich wirke und habe viel (zu viel) freundlich gelächelt. Auch weil ich dachte, ich habe keine richtige Wahl: Ich bin als Selbstständige auf den ersten Eindruck angewiesen. Wenn mich jemand erst mal 3 Jahr kennen muss, um zu erkennen, dass ich ja eigentlich gar nicht so arrogant bin, bin ich schon pleite.

Das ist einfach so ungerecht. Wieso ist es so viel schwerer für Frauen (auch unter Frauen) Sympathie und Kompetenz auszustrahlen? Man kann beides ausstrahlen, jedoch wird es wahrscheinlich anders interpretiert.

Mein persönlicher Weg zum Feminismus

Ich bin noch nie so richtig der Meinung gewesen, als Mädchen ist man vollkommen gleichberechtigt wie die Jungs. Und ich rede hier ganz bewusst von Mädchen und Jungs, weil ich Kinder meine. Ich bin in Hessen aufgewachsen. Und die Hessen sprechen über Mädchen in der dritten Person mit „es“. Mit einem laaaangem E. „Eeees hat ja komische Schuhe an“ Ganz furchtbar fand ich das. Und ungerecht – denn Jungs waren immer eine vollwertige Person.

Ich war kein „Tomboy“ – meine Lieblingskleider waren rosa und lila und ich hatte lange blonde Haare. Trotzdem habe ich gerne herumgetollt und viel Quatsch gemacht. Mein jüngerer Bruder und ich sind von meinen Eltern ungefähr gleich aufgezogen worden. Ungefähr – weil es nie vollendete Gleichheit unter Geschwister geben wird. Ich bekam also nie die Erklärung zu hören „Weil du ein Mädchen bist…“. Meine Mutter fand meine Lieblingsfarbe befremdlich (Sie mag Grün). Meine Heldinnen waren ganz unterschiedlich: Ronja Räubertochter und Pocahontas.

Es wäre gelogen, wenn ich behaupten hätte nur richtig starke Frauen als Idole gehabt. Aber während meine Klassenkameradinnen die Schmalzlocken von N-Sync und BackstreetBoys anschmachteten und fand ich TicTacToe große Klasse. Die Stärke und Attitüde in ihren Songs hat mir selbst auch Stärke gegeben. Ich habe mich eigentlich immer eher mit weiblichen Charakteren identifizieren können. Davon gab es leider nicht allzuviele. Die klassischen Mädchen-Lektüren wie die „Wendy“, waren was für die braven Mädchen – das passte irgendwie nicht zu mir.

Doch brav funktioniert oft besser für Mädchen – wenn man nicht lieb ist und nett lächelt, wird man schnell abgestempelt und wird Außenseiterin. Ungleichheiten fielen mir hier schnell auf: Mädchen dürfen nicht so viele Freunde haben, Mädchen müssen von Jungs erobert werden – Mädchen müssen schön aussehen. Jungs können (sollen sogar) viel Erfahrungen sammeln und mit den richtigen Sneakers und der passenden Jeans wird das schon. Mädchen werden von oben bis unten bewertet: Nase (was ein Oschi), Augen (solche Glubscher), Haare (wäscht du die auch mal?), Arme (Wabbel, Wabbel), Bauch (erwartest du was?). Es zählt nicht was du kannst und was dich ausmacht. Zumindest ist das meine Beobachtung meiner Umgebung aus den 90/00 Jahren. Bis dahin: nur Beobachtungen. Niemand sprach je so etwas wie Ungleichheit mir gegebenüber an. In der Schule wurde darüber nie gesprochen. Hätte es jemand getan, ich wäre sicher schon früher aufgesprungen. #bodyimage

Als ich nun langsam älter wurde, wurden die Unterschiede deutlicher. Mein ersten feministische Buch war „Bitterfotze“ von Maria Sveland. Ich habe es gekauft als es raus kam, weil es irgendwo als feministisches Buch empfohlen war. Warum ich alle anderen Bücher die es zu der Zeit auch gab, nicht entdeckt habe ist mir ein Rätsel. „Bitterfotze“ stellte mich vor eine Frage, die ich mir so noch nie jemand gestellt hat: Du hast die Wahl: Kinder oder Karriere? Denn als Frau ist nicht beides so ohne Weiteres drin. Zumindest nicht, ohne dass die Gesellschaft dich verurteilt, dich als Rabenmutter hinstellt oder als karrieregeil. Und das Schlimmste war: Ich hörte es von überall, von Menschen in meinem Alter – und jünger! Und der Mann wurde aus dieser Verurteilung gar nicht mit einbezogen. Wenn jemand die Kinder nicht „anständig“ betreute, dann war die Frau die Rabenmutter oder verpasste Ihre Karriere.

Aber ich liebe meinen Job. Ich will „Karriere“ machen, wenn das bedeutet ich bin gut in dem was ich tue und ich mache es auch noch verdammt gerne. Und ich will mich nicht dafür entschuldigen. Ich will aber auch mal Kinder haben. Warum soll ich mich entscheiden müssen, Männer müssen sich auch nicht entscheiden. Oder entschuldigen.

Nun bin ich selbstständig. Ich bin Inhaberin eines jungen Branding-Studios in Berlin gemeinsam mit meinem Geschäftspartner. Und vielleicht erlebte ich auf Grund dieser Kombination (Männlein – Weiblein) eine ganz bestimmte Art von Sexismus, den ich (vielleicht) nicht erleben würde, wenn ich mit einer Frau zusammen arbeiten würde. Es wurde zum Beispiel schon häufiger davon ausgegangen, dass ich die Mitarbeiterin bin und nicht auch Chefin. Ich beobachte oft, dass ich als Frau wesentlich kritischer beäugt werde und schneller „bossy“ wirke. Das weiß ich, weil eine Kundin sich mal bei meinem Partner beschwert, weil sie Angst vor mir hatte. Achso – nicht sie selbst hat sich beschwert – es war ihr Mann.

Ich kann mich also nicht nicht damit beschäftigen. Ich habe keine Wahl. Es ist ständig präsent.

Margaret Atwoods Handmaid’s Tale oder Der Report der Magd. Eine Designkritik

Vor kurzem habe ich das großartige Buch von Margaret Atwood Handmaids Tale fertig gelesen. Es ist auf jeden Fall sehr empfehlenswert: Spannend und hoch interessant. Es wird eine Welt beschrieben, die uns nicht so fern ist, wie wir vielleicht glauben. Irgendwo hab ich mal gehört, dass nichts dazu erfunden wurde: Alle Teile der Story sind irgendwo, irgendwann mal in dieser Welt so gewesen. Gruselig!

Eine Sache nur: ich habe es durch Zufall in deutsch und englisch und habe es dann auf deutsch fertig gelesen, da mir die Art der Sprache nicht auf der Zunge lag: daher habe ich diesen super Vergleich der cover vor mir: ein wundervolles kreatives Cover auf englisch, welches auf #sciencefiction anspielt und damit das Genre eben sehr gut trifft. Es ist nicht gegendert gestaltet. Es spricht einfach eine Gruppe von Menschen an die dieses Genre gerne lesen. Das deutsche Buch ist sehr anders. Mein Freund meinte es sieht aus als ob es ein Buch für Frauen über Frauen ist. Und, obwohl es natürlich um Frauen geht, ist die Story ja nicht nur für Frauen interessant! Außerdem (obwohl ich das Kunstwerk auf dem deutschen Cover mag) passt die Frau auf dem Cover NULL zur Story, ausgenommen, dass sie ein rotes Kleid an hat und einen weißen Kragen. In der Story dürfen Frauen keinen Lippenstift tragen und ihre Gesichter werden ständig verdeckt. Was also soll das? Im Buch wird eine große Gesellschaftskritik betrieben, das ist doch auch für Männer interessant. Oder ist George Orwell auch nur für Männer?

Die Wahl der Schrift auf dem deutschen Buch macht es leider auch nicht besser: viel mehr unterstützt sie den Charakter des Bildes und deutet eher auf ein historischen Roman oder ähnliches hin. Was ich nicht verstehe ist: der Verlag will doch dass alle Leser*innen zufrieden sind. Wenn jemand einen historischen Roman lesen will und dann diese Story bekommt, fühlt der sich doch fehlgeleitet. Und jüngere Personen greifen im Zweifel gar nicht zu diesem Buch, obwohl es auch gerade eine supercoole Serie zum Buch gibt (sagt mein großartiger Bruder). Verliert man so nicht das richtige Publikum? Also was hat sich die gestaltende Person dabei gedacht? Bzw. Was denkt sich der Verlag dabei? Ich verstehe es nicht.

DerReportderMagd_Designkritik_Bookcoverdesign

#FerranteFever

Angefangen habe ich diese Reihe, weil ich davon hörte, dass die weibliche Identität der Autorin angezweifelt wurde (auch weil gedacht wurde, so ein gutes Buch kann ja nur von einem Mann geschrieben sein…). Das hat mich natürlich gereizt.

Ich gebe zu: das erste Buch war eine kleine Qual. Es kam mir langatmig vor, ich konnte mich weder mit der einen noch mit der anderen Freundin identifizieren. Ich nahm das Buch mit nach Neapel, wo wir für ein verlängertes Wochenende waren und dort packte mich dann doch das #FerranteFever - vielleicht weil die Protagonistinnen in ein ähnliches Alter kamen wie ich? Möglich. Vielleicht auch, weil meine eigenen Identitätskriesen sich mehr und mehr spiegelten.

Meine Lieblingszitate sind aus dem (bisher) letzten Band:

„Die Einsamkeit des weiblichen Denkens ist bedauerlich, (…) dass alle voneinander isoliert sind, ohne Protokolle, ist eine Vergeudung.“

"Die Reduzierung meiner Person auf eine gedeckte Tafel für den sexuellen Appetit des Mannes, auf ein gut gekochtes Gericht, damit ihm das Wasser im Mund zusammenläuft. Und dann die Angst, es nicht zu schaffen, nicht schön zu erscheinen, es nicht zustande gebracht zu haben, die Vulgarität des Fleisches mit seinen Säften, seinen Gerüchen und seiner Unförmlichkeiten geschickt zu verbergen. (..)"

"Eva kann nichts, weiß nichts und hat keine Materie, um außerhalb von Adam Eva zu sein. Ihr Gut und ihr Böse sind Adams Gut und Adams Böse. Eva ist ein weiblicher Adam. Und das göttliche Werk ist so gut gelungen, dass sie selbst, für sich, nicht weiß, wer sie ist, sie hat keine festen Konturen, besitzt keine eigene Sprache, hat keinen eigenen Geist, keine eigene Logik, mir nichts dir nichts verformt sie sich."

Gerade weil die Freundschaft zwischen Lila und Elena so kompliziert und manchmal ganz und gar nicht liebevoll ist, entspricht sie (meines Erachtens) sehr stark der Realität. Freundschaften, wie wir sie so oft in Film und Fernsehen, Büchern und Zeitschriften sehen/lesen sind oft nur kleine Teile dessen was so eine Beziehung ausmacht: Eben auch viele Emotionen, viel Leid – nicht immer einer Meinung sein, nicht immer alles gemeinsam machen. Getrennte Wege gehen. Sich gegenseitig auch mal hassen oder auch beneiden. Diese Ehrlichkeit hat mich verblüfft und gepackt. Ich kann den vierten Band kaum abwarten.

Etwas wirklich Positives muss ich hier auch über die Gestaltung sagen: Die Illustrationen sind sehr schön: Schlicht und nicht zu schnörkelig. Bei den Büchern handelt es sich um Literatur, nicht um Belletristik und das erkennt man wesentlich besser, als bei Covern der englischen Ausgaben die ich gesehen habe (kitschige Buchcover, die hätte ich nicht mal umgedreht um den Klappentext zu lesen). Die Cover haben auch dazu beigetragen, dass ich die Bücher meiner Mutter geschenkt habe. Es ist auch schön anzusehen, dass die Reihe der Cover durchdacht wurde. Da macht es Spaß zu lesen und die Bücher dann ins Regal zu stellen.

ElenaFerrante_Bookcover-Design

Bitte nimm doch bitte nicht von Anfang an an, dass ich keine Ahnung habe

Früher hätte ich mich wahrscheinlich in meinem stillen Kämmerchen verkrochen und gedacht "er hat ja echt". Aber heute fange ich an zu begreifen, dass auch das Teil der Diskrimierung und Unterdrückung ist. Dass ich mich selbst diskriminiere und schlecht rede. Obwohl ich das Recht habe, dass niemand von Anfang an etwas von mir annimmt. Und meine Fähigkeiten ausschließt.

Es ist nur eine kleine Szene, die ich hier beschreiben kann. Klein aber fein und mir persönlich schon millionenfach passiert. Ich habe mir endlich nach vielen Jahren ein wunderschönes Fahrrad gekauft. Neu und schick und alles. Beim einstellen des Rades und Testfahren, stelle ich ein paar Fragen zum Rad. Der Typ der mir diese Fragen beantworten soll ist recht einsilbig. Dann stelle ich die ulitmative Frage: "Wenn die Kette abspringt, was mache ich dann?" Antwort: "Dann gehts du zum nächsten Fahrradshop." Ich wundere mich kurz. Dann frage ich (und ich muss durchaus auch meinen Mut hierfür zusammen nehmen): "Achso – also kann man das nicht selbst machen?" Antwort: "Naja, wenn du dich mit Technik nicht so auskennst, solltest du es lieber den Profis überlassen". Damit war ich erst mal ruhig.

Ich dachte: Naja, er hat ja echt, ich hab keine Ahnung. Und fühlte mich wehrlos und hilflos. Und dann wurde ich wütend. Ich habe nie gesagt, dass ich technisch keine Ahnung habe – er hat das einfach angenommen. Ja, es gibt sicher Frauen, bei denen das nicht angenommen wird, aber nur weil ich einen schicken roten Mantel und Ballerinas anhabe, heißt das noch lange nicht dass ich keine Ahnung habe. Ich bin mir sehr sicher, dass KEIN MANN – egal was er an hat – je solch einen Spruch zu hören bekommt. Mit so einer Annahme tot getreten wird. Es ist vollkommen egal, ob ich Ahnung habe oder nicht. Scheiße, nimm doch nicht einfach an, dass ich keine Ahnung habe.

Please, Let Kids Be Kids.

Es wird immer schlimmer, in meinen Augen. Je mehr Kinder in meinem Umfeld geboren werden, desto deutlicher wird mir das. Nein, das ist nicht schlimm Kinder zu bekommen, dass ist toll. Was schlimm ist, wie früh diese Kinder in Geschlechterrollen gesteckt werden und somit keine wirkliche Wahl haben, ihre eigenen Charakterzüge eigenständig zu wählen bzw. zu entwickeln.

Ja, man wird es nicht wirklich hinbekommen, Kinder komplett geschlechterneutral zu erziehen, allein schon wegen der Gesellschaft in der wir leben: Werbung, Kindergarten, Tanten, Onkel und andere Menschen die einen Eindruck hinterlassen werden, ob man es will oder nicht.

Aber warum werden Kinderzimmer, noch ehe das Kind geboren ist, rosa oder blau gestrichen? Warum ist es wichtig, dass der Strampler rosa oder blau ist oder Glitzer-Schleifchen bereit liegen, damit das arme Köpfchen damit verbunden wird? Ich habe verschiede Babykarten am Kühlschrank kleben und alle Babys sind Babys – sie haben keine „männliche“ oder „weiblichen“ Charakterzüge, außer die, die die Erwachsenen mit viel Fantasie in ihre Kinder hineinfantasieren. Es macht mich wahnsinnig. Und traurig. Wie soll denn ein Kind, welches in einer rosaroten Welt aufwächst, eigene Interessen entwickeln, außer die, die dem Kind vorgegeben werden?

Ich habe einmal beobachtet, wie ein Mädchen (6 oder 7 Jahre) einen Lipgloss und Nagellack geschenkt bekam, ihr etwas jüngerer Bruder bekam ein Detektiv-Spielzeug. Das Mädchen war sichtlich irritiert und neidisch: Mit dem Detektiv-Spielzeug konnte man sichtlich mehr gegen die Langeweile dieses Erwachsenen-Events ausrichten. Es regt ja auch die Fantasie mehr an und beschränkt nicht auf „schön sein“. Schön sein kann nämlich sehr langweilig sein. Aber das Spielzeug gehörte nun mal zu ihrem Bruder und das wurde ihr auch so gesagt. Also fing sie an sich mit dem Lipgloss und dem Nagellack zu beschäftigen – was bliebt ihr auch anderes übrig? Wie können wir denn ernsthaft glauben, solche Sachen beeinflussen Kinder nicht?

Ich bin keine Mutter und ich habe keine Kinder um mich herum, die ich täglich aufwachsen sehe – dennoch traue ich mich diesen Text zu schreiben, weil es mich einfach so traurig und wütend macht, wenn wir Kindern schon so früh Rollen zu schreiben, nur weil die Gesellschaft es so vormacht. Stutzig machen mich dann Aussagen von Eltern, die mir voller Überzeugung erzählen, wie unterschiedlich ein Junge und ein Mädchen sich direkt nach der Geburt verhalten. Dass sie selbst Dinge hineininterpretieren und damit keineswegs eine Studie geleistet haben, wird dabei komplett vergessen. Denn ich bin mir sehr sicher: man kann die unterschiedlichen Charakterzüge unterschiedlich interpretieren. Wenn ein Baby besonders laut ist oder besonders ruhig, dann können das Charakterzüge allen Geschlechtern sein!

Lasst eure Kinder doch einfach selber entscheiden, welche Lieblingsfarbe sie haben und ob sie lieber mit Autos oder Puppen (oder mit genderneutralem Lego) spielen. Lasst sie doch einfach mit allem spielen, was sie so vorfinden. Zieht ihnen alle Farben des Regenbogens an – ist doch egal, ob andere nicht gleich erkennen ob du ein Jungen oder ein Mädchen im Buggy hast. Warum ist das so relevant? Traut euren Kindern eine eigene Meinung zu und seid da wenn sie diese selbstbestimmt ausleben möchten. Please – Let Kids, Be Kids.

Wolken der Gleichberechtigung

Kommt immer wieder vor: Ich sitze in einer Veranstaltung, schaue mich um und keiner weiß von der aktuellen neuen Feminismus Welle, die junge Frauen heute bewegt und die auf T-Shirts von Hansi&Mausi ihren Platz findet. Keine(r) weiß davon. Und ich sehe langsam in den Gesichtern, wie die sich die Sicht auf mich verzerrt. Große Fragezeichen – vielleicht sogar ein kurzer visueller Vergleich mit der einzigen Feministin die ihnen einfällt… äh wie hießt sie noch mal? Alice Schwarzer?

Ich muss mir langsam einen Survival-Kit zusammenlegen, um in solchen Momenten cool und lässig reagieren zu können. Cool und lässig – eben nicht panisch nach Beispielen suchen, die beweisen, dass ich nicht die Einzige in dieser Welt bin (und nicht die einzige in meinem Alter), die dieses Thema wichtig findet. Nicht nur wichtig: ich komme gar nicht drum herum. Ich habe keine Wahl.

Ich möchte hier mal sammeln, was dann so an Kommentaren kommt:

„Das interessiert mich nicht so“

„Ich glaube wir brauchen das nicht“

„nicht so mein Thema“

Erstaunlicherweise fühlen sich Frauen viel mehr genötigt ein Kommentar dazu abzugeben oder sich zu rechtfertigen, als Männer. Bei Männern stelle ich häufig eher ein amüsiertes Interesse fest. Vielleicht fühlen sie sich von einer 1,58m großen Frau, wie mir, nicht wirklich bedroht. Ist ja auch gut, ich drohe auch niemanden.

Warum finde ich das wichtig, dass sich Menschen aller Altersgruppen für dieses Thema öffnen?

Weil ich sehen wir relevant es ist und immer mehr wird. Ich bin der Überzeugung, dass die Generation die nach mir kommt, das Thema noch viel größer machen wird. Und je länger Menschen nicht zuhören, desto radikaler werden die Ansichten. Das wäre sehr schade, denn ich glaube Radikalität schadet dem großen Ganzen. Ich will nicht, dass sich alle plötzlich überholt fühlen. Also wacht doch mal auf.

Warum ich „Orange is the new Black“ so liebe.

Ich bin völlig begeistert von dieser Serie (no Spoiler-Allert – Promise). Und die Gründe haben vorrangig nichts mit der Story zu tun. Es geht mir viel mehr um das Setting.

  1. Viele, viele komplexe Frauencharaktere

    Das kommt nicht oft vor. Frauenrollen sind selten. Und wenn sie auch noch mehr können sollen, als der Sidekick sein oder die sexy Women, die dem Film noch ein wenig „Spice“ verleiht, ist man lange auf der Suche. Es wird langsam besser. Aber die großen Serien, haben doch immer mehr männliche Charaktere und auch mal coole Frauen, aber oft eben nicht so, dass diese ständig vor der Kamera sind. Das ist hier anders.

  2. Diversität – People of Color

    Klar, das ganze spielt in Amerika. Dort ist es anders divers als hier (wie würde so eine Serie wohl bei uns aussehen?). Ich finde es toll, dass die Serie so viele verschiedene Menschen zeigt und das auch thematisiert. Auch wenns weh tut.

  3. Diversität – Bodyimage

    In dieser Serie werden ohne viel Heck Meck viele verschiedene Frauenkörper gezeigt. Und das ist ungewöhnlich. Frauenkörper die von der Gesellschaft eigentlich als „nicht zeigbar“ gestempelt sind: Körper die älter als 30 sind, Körper die älter als 40, 50, 60 (und noch mehr!) sind, Körper die nicht weiß sind, Körper die nicht dünn sind. Brüste die auf natürliche Weise liegen, Cellulite, große Hintern, kleine Hinter, dicke Bäuche, kleine und große Speckrollen. Ohne Photoshop. Alles was VOLLKOMMEN NORMAL ist. So wie wir alle aussehen. So wie Frauen (ohne fancy Light und Photoshop) aussehen. Wird dort auf einem ganze normalen Level gezeigt. Auch die Hauptcharaktere haben Körper von unterschiedlichster Natur. Wenn ich mal einen schlechten Tag habe und mein Körper mir unnatürlich vor kommt – Orange is the new Black ist da eine große Abhilfe.

  4. Selbst der flachste Charakter bekommt seine Story

    In jeder Folge wird eine kurze Reise in die Vergangenheit von einem der Charakter gemacht. Das schafft ein Verständnis (zumindest ein bisschen) für den Menschen den man in der Serie selbst vielleicht nicht verstehen mag.

Wie findest du die Serie? Oder kennst du eine ähnliche, die ich mir unbedingt noch ansehen muss? Ich freue mich auf Tips und Infos!