Wenn Menschen einen falsch interpretieren, ist das allein deren Verlust. Man selbst kann daran kaum etwas ändern. Aber es ist nicht leicht, das so auch zu leben und zu verdauen.

Wie oft haben mich Mitmenschen darauf hingewiesen, dass sie mich falsch interpretiert haben, dachten ich sei arrogant oder eingebildet. Und dann viel später stellen sie fest: ich bin es nicht. Aber es schien mir nie so, als ob diese Menschen es auf Ihre Kappe nehmen – dass sie es als Ihren Fehler sehen. Vielmehr wurde mir erklärt, wie es dazu kam: Wie ich mich verhalten habe, mein Gesichtsausdruck etc. Das sie das Ganze falsch interpretiert haben und ich nichts an meinem Gesichtsausdruck ändern kann, ist ihnen – scheinbar – nie in den Sinn gekommen.

Ich wünsche ich hätte diese Erkenntnis schon viel früher in mir gehabt. Sie früher verinnerlicht. Jetzt sehe ich es klar: es ist Teil einer systemischen Unterdrückung, etwas was wir lernen durch unsere Gesellschaft. Mir hat noch nie ein Mann von solchen Erlebnissen erzählt (aber ich bin offen für Stories und schließe das nicht grundsätzlich aus), es ist aber etwas was ich schon häufig von Frauen gehört habe.

Wie groß meine Gefühle, als ich das Buch von Sharyl Sandberg „Lean in“ gelesen habe: Ein Gefühl zwischen Ohnmacht und Erleichterung – mehr im Sinne der Erkenntnis. Endlich stand das was ich regelmäßig erlebt habe „Schwarz auf Weiß“ vor mir: Frauen werden in vielen Dingen negativer bewertet, in Dingen wie Sympathie und Erfolg. Sprich: Mein Gesichtsausdruck wird als arrogant und eingebildet gewertet, sprich: ich habe es schwerer mit diesen Menschen in Kontakt zu kommen, ihr Vertrauen zu erhalten. Während ein Mann mit dem gleichen Gesichtsausdruck (der Gesichtsausdruck ist: Nicht-Lächelnd) nicht so interpretiert wird. Sondern vielleicht nur konzentriert wirkt.

Tatsächlich hat mich diese Erkenntnis erst mal noch mehr gelähmt. Ich hatte Angst davor, war immer vorsichtig, dass ich nicht unfreundlich wirke und habe viel (zu viel) freundlich gelächelt. Auch weil ich dachte, ich habe keine richtige Wahl: Ich bin als Selbstständige auf den ersten Eindruck angewiesen. Wenn mich jemand erst mal 3 Jahr kennen muss, um zu erkennen, dass ich ja eigentlich gar nicht so arrogant bin, bin ich schon pleite.

Das ist einfach so ungerecht. Wieso ist es so viel schwerer für Frauen (auch unter Frauen) Sympathie und Kompetenz auszustrahlen? Man kann beides ausstrahlen, jedoch wird es wahrscheinlich anders interpretiert.