Ich bin noch nie so richtig der Meinung gewesen, als Mädchen ist man vollkommen gleichberechtigt wie die Jungs. Und ich rede hier ganz bewusst von Mädchen und Jungs, weil ich Kinder meine. Ich bin in Hessen aufgewachsen. Und die Hessen sprechen über Mädchen in der dritten Person mit „es“. Mit einem laaaangem E. „Eeees hat ja komische Schuhe an“ Ganz furchtbar fand ich das. Und ungerecht – denn Jungs waren immer eine vollwertige Person.

Ich war kein „Tomboy“ – meine Lieblingskleider waren rosa und lila und ich hatte lange blonde Haare. Trotzdem habe ich gerne herumgetollt und viel Quatsch gemacht. Mein jüngerer Bruder und ich sind von meinen Eltern ungefähr gleich aufgezogen worden. Ungefähr – weil es nie vollendete Gleichheit unter Geschwister geben wird. Ich bekam also nie die Erklärung zu hören „Weil du ein Mädchen bist…“. Meine Mutter fand meine Lieblingsfarbe befremdlich (Sie mag Grün). Meine Heldinnen waren ganz unterschiedlich: Ronja Räubertochter und Pocahontas.

Es wäre gelogen, wenn ich behaupten hätte nur richtig starke Frauen als Idole gehabt. Aber während meine Klassenkameradinnen die Schmalzlocken von N-Sync und BackstreetBoys anschmachteten und fand ich TicTacToe große Klasse. Die Stärke und Attitüde in ihren Songs hat mir selbst auch Stärke gegeben. Ich habe mich eigentlich immer eher mit weiblichen Charakteren identifizieren können. Davon gab es leider nicht allzuviele. Die klassischen Mädchen-Lektüren wie die „Wendy“, waren was für die braven Mädchen – das passte irgendwie nicht zu mir.

Doch brav funktioniert oft besser für Mädchen – wenn man nicht lieb ist und nett lächelt, wird man schnell abgestempelt und wird Außenseiterin. Ungleichheiten fielen mir hier schnell auf: Mädchen dürfen nicht so viele Freunde haben, Mädchen müssen von Jungs erobert werden – Mädchen müssen schön aussehen. Jungs können (sollen sogar) viel Erfahrungen sammeln und mit den richtigen Sneakers und der passenden Jeans wird das schon. Mädchen werden von oben bis unten bewertet: Nase (was ein Oschi), Augen (solche Glubscher), Haare (wäscht du die auch mal?), Arme (Wabbel, Wabbel), Bauch (erwartest du was?). Es zählt nicht was du kannst und was dich ausmacht. Zumindest ist das meine Beobachtung meiner Umgebung aus den 90/00 Jahren. Bis dahin: nur Beobachtungen. Niemand sprach je so etwas wie Ungleichheit mir gegebenüber an. In der Schule wurde darüber nie gesprochen. Hätte es jemand getan, ich wäre sicher schon früher aufgesprungen. #bodyimage

Als ich nun langsam älter wurde, wurden die Unterschiede deutlicher. Mein ersten feministische Buch war „Bitterfotze“ von Maria Sveland. Ich habe es gekauft als es raus kam, weil es irgendwo als feministisches Buch empfohlen war. Warum ich alle anderen Bücher die es zu der Zeit auch gab, nicht entdeckt habe ist mir ein Rätsel. „Bitterfotze“ stellte mich vor eine Frage, die ich mir so noch nie jemand gestellt hat: Du hast die Wahl: Kinder oder Karriere? Denn als Frau ist nicht beides so ohne Weiteres drin. Zumindest nicht, ohne dass die Gesellschaft dich verurteilt, dich als Rabenmutter hinstellt oder als karrieregeil. Und das Schlimmste war: Ich hörte es von überall, von Menschen in meinem Alter – und jünger! Und der Mann wurde aus dieser Verurteilung gar nicht mit einbezogen. Wenn jemand die Kinder nicht „anständig“ betreute, dann war die Frau die Rabenmutter oder verpasste Ihre Karriere.

Aber ich liebe meinen Job. Ich will „Karriere“ machen, wenn das bedeutet ich bin gut in dem was ich tue und ich mache es auch noch verdammt gerne. Und ich will mich nicht dafür entschuldigen. Ich will aber auch mal Kinder haben. Warum soll ich mich entscheiden müssen, Männer müssen sich auch nicht entscheiden. Oder entschuldigen.

Nun bin ich selbstständig. Ich bin Inhaberin eines jungen Branding-Studios in Berlin gemeinsam mit meinem Geschäftspartner. Und vielleicht erlebte ich auf Grund dieser Kombination (Männlein – Weiblein) eine ganz bestimmte Art von Sexismus, den ich (vielleicht) nicht erleben würde, wenn ich mit einer Frau zusammen arbeiten würde. Es wurde zum Beispiel schon häufiger davon ausgegangen, dass ich die Mitarbeiterin bin und nicht auch Chefin. Ich beobachte oft, dass ich als Frau wesentlich kritischer beäugt werde und schneller „bossy“ wirke. Das weiß ich, weil eine Kundin sich mal bei meinem Partner beschwert, weil sie Angst vor mir hatte. Achso – nicht sie selbst hat sich beschwert – es war ihr Mann.

Ich kann mich also nicht nicht damit beschäftigen. Ich habe keine Wahl. Es ist ständig präsent.